Sonntag, 20. Mai 2012

Die Leiden des jungen Nikils


Behinderte gibt es überall auf der Welt, in Deutschland und auch in Indien. Es gibt nur verschiedene Wege mit ihnen umzugehen. Man kann sie aussetzen, verstoßen oder sich um sie kümmern. In meinem jetzigen Projekt kümmere ich mich um behinderte Menschen. Ich habe zuvor noch nie mit behinderten Menschen gearbeitet, doch ich bin mir sicher, dass das ganze in Deutschland anders abläuft.
Seit Anfang März bin ich in der Spandana Special School in der Nähe von Udupi untergebracht. Das ist ein Rehabilitierungszentrum für behinderte und psychisch kranke Männer. Es sind immer um die 30 Männer in Behandlung, mit den unterschiedlichsten Behinderungen. Insgesamt haben schon 67 Männer die Einrichtung besucht, die sind teilweise wieder zuhause und kommen bloß manchmal wieder. Geleitet wird die Einrichtung von Janardhan und Umesh, einem ausgebildeten Behindertenpädagogen und einem Hochschulleiter. Montags bis Samstags kommen dazu zwei Lehrerinnen und betreuen die „Kinder“, wie die Behandelten hier genannt werden. 
Janardhan, ganz links mit Studenten aus Manipal, die ein Essen gespendet haben und den Spandana Kindern
Beim Wischen der großen Halle

Um 6.30 Uhr beginnt jeder Tag in der Spandana Schule. Die „Kinder“ werden aufgeweckt und müssen sich die Zähne putzen. Danach wird geduscht. Es gibt eine gewisse Hierarchie unter den „Kindern“: Manche sind eher aktiv, manche eher passiv; manche sind im Stande mehr zu tun, andere sind so sehr beeinträchtigt, dass sie fast keine Aufgabe erledigen können. Diejenigen, die geistig fitter sind, stehen in der Hierarchie weiter oben. Sie helfen den Betreuern dabei, dass alle ihre Aufgaben erledigen und kümmern sich selbst um die schwierigeren Aufgaben. Ganz oben steht Simon. Er ist sozusagen der verlängerte Arm der Betreuer und schreckt nicht vor Gewalt zurück. Wer nicht gehorcht, wird geschlagen. Nicht dass die Lehrer und Janardhan Simon nicht unter Kontrolle hätten. Doch durch seinen Status unter den „Kindern“ hat er gewisse Freiheiten wie eine extra große Tasse Buttermilch zum Mittagessen oder hier und da mal ein Schlag mehr als nötig. Er ist es aber auch, der als erstes gerufen wird, wenn jemandem bockt, damit er wieder für Ordnung sorgt.
Nikil


Nikil steht weiter unten in der Hierarchie. Er ist einer der jüngsten und erst sechs Monate in der Spandana Schule. Manchmal putzt er sich nicht lange genug die Zähne oder versucht sich vor dem Putzen zu drücken. Dann wird er von einer Betreuerin oder von Simon zurechtgewiesen. Falls das nichts hilft, bekommt er ein, zwei Schläge. Sein Respekt vor Simon ist deshalb sehr groß. Schläge in der Erziehung sind in Indien häufig anzutreffen, nicht nur in der Spandana Schule. Die „Kinder“ werden zwar nicht verprügelt, aber es reicht dafür aus, dass sie aus Angst vor weiteren Schlägen die Aufgaben machen, die ihnen aufgetragen werden. Dieses Prinzip stößt aber auch an seine Grenzen: Wenn jemand zu sehr geschlagen wurde, protestiert er, verweigert jegliche Handlung oder setzt zu Gegenschlägen an. Wenn man die Gewalt auf der einen Seite sieht, muss man auf der anderen Seite aber auch die Überforderung der Betreuerinnen sehen: zehn bis fünfzehn „Kinder“ kommen auf eine Betreuerin. In Frankreich seien es maximal vier bis sechs pro Betreuer, sagt Franck, der in Frankreich als Behindertenpädagoge arbeitet. Er war im März einen Monat lang als Freiwilliger in der Spandana Schule tätig. Er sagt auch, dass Gewalt in der Behandlung in Frankreich nicht akzeptabel sei. Er sehe aber selbst, dass die Menschen es hier nicht anders kennen und die Umstände ganz andere seien als in Frankreich.
Die tägliche Routine ist für die Kinder wichtig. Nikil hatte gerade am Anfang Schwierigkeiten und wollte manchmal nach Hause laufen. Oft fragt er, ob seine Mutter oder sein Onkel kommen. Die anderen „Kinder“ kriegen ab und zu Besuch von ihren Eltern oder Geschwistern. Doch Nikils Mutter war bisher noch kein mal da. Nur sein Onkel Varsu kommt manchmal vorbei und bringt ihm Limonade mit. Mittlerweile scheint er sich an den Spandana-Alltag gewöhnt zu haben.
Um 8.00 wird gefrühstückt. Der Herr der Küche ist der taubstumme Sudhir. Jeden Tag kocht er auf offener Flamme für über 35 Leute. Er ist im vollen Besitz seiner geistigen Fähigkeiten, doch auch für ihn wäre es schwer in einem anderen Privatunternehmen einen Job zu finden. Nach dem Frühstück kommen die Lehrer. Unter deren Aufsicht wird der Boden gewischt und die Wäsche gemacht.
Um 9 Uhr bekommen die Kinder ihre Medizin. Da Nikil neben seiner geistigen Behinderung auch Epileptiker ist, muss er jeden Tag Tabletten schlucken. Die machen ihn sehr müde und träge. Von der darauffolgenden Yogastunde hat er nicht viel, weil er gegen den Schlaf kämpfen muss. Die Yogastunde ist eine Physiotherapie für die Kinder: Verschiedene Positionen werden eingenommen, Muskeln werden angespannt und Bänder gedehnt. Das ist sehr wichtig, damit die Kinder einigermaßen fit bleiben. Die meisten können die Übungen alleine, manchen muss ich immer helfen.
Yoga Stunde

Anschließend rollen die „Kinder“ die Yogamatten ein und bauen die Tische für den Unterricht auf. Unterricht ist das es in entferntester Form, eher Beschäftigung. Das ist aber auch kein Wunder: Wenn man mit drei Leuten auf 30 Menschen aufpassen muss, die alle unterschiedliche Behinderungen haben, kann man die nicht neben bei individuell unterrichten. An meinem Gruppentisch zeichne oder male ich mit den Kindern. Individuelle Fortschritte kann ich erreichen, wenn ich mich um maximal drei Kinder gleichzeitig kümmere. Meistens sitzen aber sechs oder sieben Kinder um mich herum, die beschäftigt werden wollen. Dem einen gebe ich Flächen zum ausmalen, einer schreibt kurze Wörter ab und ein anderer kritzelt mit zittriger Hand wilde Linien auf das Papier, gerade in der Lage den Stift zu halten. Wenn ich nicht aufpasse, stibitzt sich einer den Anspitzer und macht die Buntstifte um die Hälfte kürzer. Wenn Nikil nicht gerade schläft, malt er seine geliebten von mir vorgezeichneten Elefanten aus. 
Malunterricht von Morten

Um Punkt 13 Uhr jeden Tag gibt es Mittagessen. In Indien ist es üblich zu besonderen Feierlichkeiten etwas an die ärmeren in der Gesellschaft zu spenden. So kommt es häufig vor, dass Menschen ein komplettes Mittagessen spendieren, weil sie Geburtstag, Verlobung oder ein besonderes Gebet zuhause haben. Neulich wurden die gesamten Spandana Kinder zu einer Hauseröffnung im benachbarten Brahmavara eingeladen. Die gesamte Einrichtung ist von Spenden abhängig. Ohne großzügige Sponsoren gäbe es Spandana nicht. Ob Schrank, Ventilator oder Schulbank, alles ist von irgendwem einmal gestiftet worden. Selbst das Gebäude, in dem die Spandana Schule gerade untergebracht ist, gehört einem niederländischen Sponsor.
„Wir sind von den Spenden abhängig, weil wir vom Staat keine Zuschüsse bekommen,“ sagt Janardhan. Der Staat unterstützt nur behinderte Kinder und Jugendliche. Ab dem 18. Lebensjahr fällt diese Unterstützung weg. „Ich kann die Sorgen der Eltern von behinderten Kindern verstehen,“ erzählt Janardhan: „Der Sohn von meiner Schwester war auch behindert. Es ist schwer sich neben der Arbeit genügend um ein behindertes Kind zu kümmern. Manche Kinder brauchen quasi durchgehend Betreuung“ Die Familien, die ihre Kinder in die Spandana Schule geben kommen alle aus der Arbeiterklasse oder unteren Mittelklasse. Reichere Familien schicken ihre behinderten Kinder in teure Privateinrichtungen. Einrichtungen wie Spandana gibt es nicht viele in Indien. Auf den lokalen Treffen der Behinderteneinrichtungen sind sie die einzige Einrichtung für Erwachsene. Die „Kinder“ kommen teilweise aus 250 km entfernten Orten.
„Der Umgang mit Behinderten in Indien ist ganz unterschiedlich. Es kommt ganz darauf an, wie entwickelt eine Region ist,“ sagt Janardhan. Er kennt Geschichten, wo ein Behinderter an einen Baum gefesselt gelebt hat. Oft werden sie auch in Zimmer eingesperrt, irgendwo fest gekettet oder auf der Straße ausgesetzt, wo sie dann betteln oder verhungern.
Janardhan, ausgebildeter Behindertenbetreuer und Leiter der Spandana Schule

Um 15.30 ist der Nachmittagsunterricht vorbei. Jetzt ist noch eine halbe Stunde Hofgang, Spiele im Freien und das tägliche Gebet angesagt. Danach haben die Kinder Freizeit. Ihnen geht es gut in der Spandana Schule, auch Nikil. Trotz der Gewalt, die ich hier teilweise täglich miterlebe, gibt es die vielen warmen Momente in denen ich merke, wie nahe sich die Kinder und die Lehrerinnen stehen und wie viel Freude die Kinder untereinander, aber auch mit den Heimleitern haben. Wie gerne sich Betreuer und „Kinder“ haben. Der junge Nikil ist mit seinen Leiden hier gut aufgehoben.
Die Schule bekommt einen Sack Reis geschenkt


Samstag, 19. Mai 2012

Bildung zweiter Wahl


Eine Freiwillige erzählt von ihren Erfahrungen in einer indischen Grundschule

In Deutschlands Schulen wird darüber diskutiert, ob elektrische Tafeln sinnvoll sind oder nicht. In Indien hat man andere Sorgen. Daniela Bröker (27) macht einen elfmonatigen Freiwilligendienst in Indien und arbeitet als Lehrerin in einer Grundschule. Sie erzählt von Parallelen und vor allem von Unterschieden zwischen dem deutschen und dem indischen Schulsystem.
typische staatliche indische Grundschule

In Indien beginnt die Grundschule um 9.30 Uhr und endet um 16.30 Uhr, zwischendurch gibt es Essen. Unterrichtet wird in den Fächern Mathe, Hindi, Kannada, Englisch, Sport und „soziale Wissenschaft“, was so etwas wie Geschichte, Werte und Normen und Erkunde in einem ist. Jedes Fach, jeden Tag. In Danielas Schule gibt es 250 Schüler, sechs festangestellte Lehrer, zwei Teilzeitangestellte und ein bis zwei internationale Freiwillige jedes Jahr. Die Grundschule geht von der ersten bis zur siebten Klasse. Schuluniformen sind Pflicht. Danielas Geschwister gehen auf eine Privatschule (vierte und fünfte Klasse). Sie haben je drei Stück: eine Wochentagsuniform, eine Samstagsuniform und eine Uniform für die schulinterne Pfadfindergruppe.
Dazu gibt es jeden Tag das fünfzehn minütige „Assembly“, eine Art Schulversammlung: Alle Schüler stellen sich in Reihe und Glied, geordnet nach Klasse auf. Der Klassensprecher steht vorne. Der Schulsprecher salutiert dem Schulleiter und den Lehrer. Das Programm besteht aus vorgelesenen Nachrichten, dem Singen der Karnataka- und der indischen Nationalhymne und einer Art Morgensport mit Dehnübungen und Hampelmann.

Der Unterschied, der am deutlichsten ist, besteht darin, dass es in Indien stark in Privatschulen und in staatliche Schulen unterteilt ist. Und die Unterschiede zwischen Privatschule und staatlicher Schule sind gravierend. Die staatlichen Schulen sind kostenfrei; die Privatschulen verlangen Mitgliedsbeiträge. Daniela ist in einer Kannada-sprachigen staatlichen Schule. „Die staatlichen Schulen sind krass unterfinanziert. Das merkt man an allen Ecken: Die Tafeln auf denen wir schreiben sind alt und zerkratzt, die Englischbücher sind fehlerhaft und sogar das Essen ist unterste Klasse,“ sagt sie: „Die Lehrer bringen sich immer ihre eigene Soße zum Reis mit und der Schulleiter isst lieber woanders.“ Die Familien, die das Geld haben, schicken ihre Kinder auf Privatschulen. In Danielas Schule sind die Familien nicht so reich. Sie können sich noch nicht mal die Schuluniform leisten, deshalb kommen die Kinder ohne in die Schule. In Danielas Schule gibt es auch keine Pfadfindergruppe. Den Sing- und Tanzunterricht können nur die Schüler besuchen, dessen Eltern den Lehrer bezahlen können. Auch der Schulausflug jedes zweite Jahr ist nur für die Schüler, dessen Eltern das Geld dafür über haben. In der ersten, zweiten und dritten Klasse gibt es noch keine Tische; die Schüler sitzen auf Bänken oder auf dem Boden. Es wird noch auf Schiefertäfelchen geschrieben, außer in den Prüfungen. Da wird das Papier von der Schule gegeben. Ab der vierten Klasse wird in Heften geschrieben, die werden auch von der Schule gegeben. Die Stifte müssen die Kinder allerdings selbst mitbringen. „Deshalb kommt es auch oft vor, dass die Hälfte der Schüler keine Stifte haben“, sagt Daniela.

Die Klassen sind zwischen 35-47 Schülern groß. Manchmal muss Daniela auch die erste, zweite und dritte Klasse zusammen unterrichten. Um Anreize zu setzen schreibt die Schule auf jedes Zeugnis, welchen Platz man in der Klassenrangliste hat, zum Beispiel sechs von 43, das heißt man wäre sechstbester. „Bei den guten Schülern klappt das wunderbar, die sind richtig heiß darauf, sich zu verbessern. Bei den hinteren wirkt das demotivierend und ist wie ein Schlag ins Gesicht,“ sagt Daniela. 

Der Unterricht ist komplett anders als in Deutschland. Es gibt keine mündliche Note, es zählen nur die schriftlichen Ergebnisse. Hausaufgaben gibt es nicht, bis auf das Gelernte im Gedächtnis zu behalten. „Die Schüler lernen alles nur auswendig, ohne zu denken und ohne zu verstehen“, meint Daniela: „Die kennen zwar alle das Alphabet auswendig, aber wenn sie dann ein G anschreiben sollen, können sie das nicht“. Der Unterricht ist purer Frontalunterricht: Der Lehrer schreibt an die Tafel und die Schüler schreiben ab oder der Lehrer erzählt etwas und die Schüler schreiben auf. Stellt der Lehrer mal Fragen, sind das Wissensfragen, die überprüfen, ob die Schüler das Gelernte auch behalten haben „Es gibt keine offenen Fragen wie 'was meinst du?'. Es werden immer nur Fakten abgefragt. Fragen, wo die Kinder selbst denken müssen gibt es nicht, da könnten die Kinder auch gar nichts mit anfangen“, sagt Daniela. Selbstständig zu lernen, wird den Kindern nicht beigebracht. „Teilweise werden die Matheaufgaben mit Lösung angeschrieben. Das wird dann abgeschrieben und auswendig gelernt. Die Schüler wissen dann, dass zwei plus zwei gleich vier ist, aber können trotzdem nicht richtig rechnen“, erzählt Daniela.
„Manche Schüler können das dann, die anderen werden mitgeschleift oder schreiben ab. Es sitzt aber auch keiner da, der murrt, dass man gefälligst nicht abschreiben solle“, meint Daniela: „Ich habe das Gefühl, dass die in der ersten und zweiten Klasse merken, wer was drauf hat und wer nicht, dass die da bestimmen wer gut ist und wer schlecht ist.“ Auf die schlechteren wird keine Rücksicht genommen. Es gibt keine Extraeinheiten oder Extraförderungen. Daniela drückt es so aus: „Einmal 43. von 43 – immer 43. Rücksichtnahme bei der Klassengröße ist aber auch nur schwer möglich“.
Sitzenbleiben in der Grundschule ist trotzdem unmöglich. „Alle sollen die Grundschule schaffen. Falls jemand durch die Prüfungen fällt, kriegt er die Lösungen vorgegeben, muss sie abschreiben und hat somit bestanden,“ erzählt Daniela. Warum das so ist weiß sie auch nicht: „Mein Schulleiter hat mir gesagt, dass das vor fünf bis acht Jahren noch anders gewesen wäre, damals war der Druck auf die Schüler wohl auch noch ein bisschen größer und es sei besser gelaufen.“ So kann man natürlich auch Statistiken verfälschen. „Unter meinen Schülern sind ungefähr zwei Prozent der Schüler Legastheniker und Analphabeten. Rein theoretisch würden sie die Schule nicht schaffen, aber so fallen sie aus diesen Statistiken raus,“ sagt Daniela: „Die schlechten Kinder werden mitgeschleift und sitzen die Zeit ab.“ Auf der anschließenden High School ist es möglich sitzen zu bleiben. Das heißt, es wird dann erheblich schwerer für diejenigen, die vorher schon nichts verstanden haben.

Die Kinder werden in einem Gebäude unterrichtet, dass eigentlich nur eine große Halle ist. Die einzelnen Klassenräume werden durch Stellwände getrennt. Wenn dort sieben Klassen gleichzeitig Unterricht haben kann es ganz schön laut werden. „Man hört die anderen Klassen immer. Manchmal Unterrichte ich die Größeren und nebenan singen 60 Kinder lauthals oder rattern das Alphabet runter. Ist es um einen herum laut, wird auch die eigene Klasse laut, also muss ich auch umso lauter werden, damit ich noch gehört werde. Ich muss ständig gegen die Geräuschkulisse an brüllen!“ erzählt Daniela: „Bis dann irgendwann der Nachbarlehrer kommt und mit dem Stock auf den Tisch haut. Dann ist für zwei Minuten Ruhe, bevor es vorne losgeht“. Oft kämen sich die Schüler aus den verschiedenen Klassen auch gegenseitig besuchen und machen Unfug miteinander. Daniela meint: „Das ist ein schwieriges Umfeld zum Lernen!“
Disziplin ist allgemein ein Problem. „Die Kinder sind nicht bösartig. Die sind ja auch nett und grüßen einen, aber die haben einfach viel Energie. Die sind den ganzen Tag wie Flummis in Bewegung und gehen sprichwörtlich über Tische und Bänke“, meint Daniela. Die Antwort der Lehrer darauf ist Disziplinierung durch Schläge. Die Lehrer in Danielas Schule kommen alle mit Rohrstock oder Holzlineal in die Schule. Die Kinder werden nicht verprügelt, aber kriegen mal leicht einen auf den Oberschenkel oder werden an den Ohren gezogen. Falls sie härter bestraft werden, gibt es Schläge auf die Handflächen oder Fußflächen. Meistens werden die Jungs gehauen, die Mädchen seien vergleichsweise brav. Daniela denkt, das liege aber auch daran, dass die Jungs meistens rumrennen, kämpfen und sich wie Rabauken benehmen würden. Die Mädchen seien ruhiger und würden nur reden oder malen. „Da sie ruhig sind und weniger stören, werden sie auch nicht gehauen“, sagt Daniela: „Und den Lehrern geht es in erster Linie darum die Schüler ruhig zu halten. Das hat mir mein Schuldirektor auch am ersten Tag so gesagt.“

Daniela kann sich an ein härteres Beispiel erinnern: „Einmal hat ein Schüler einer Lehrerin Geld aus der Tasche gestohlen. Der wurde dann richtig verprügelt und hat danach auch geheult.“ Ansonsten heulen die Kinder nicht, würden zwar kurz zucken aber machen zehn Minuten später wieder den gleichen Blödsinn. Prügeln schaffe nur kurzfristig Disziplin. „Wenn die Kinder nicht gehorchen kriegen sie einen Schlag ab. Die kriegen aber schon seit dem Kindergarten Schläge ab und machen in der siebten Klasse immer noch Unfug,“ sagt Daniela: „Die machen das ja auch nicht aus Bosheit, sondern aus Unbedarftheit und Spieltrieb. Für die ist Schule gleich Spielzeit und Rumtob-Zeit. Die freuen sich auch nicht auf die Ferien, weil zuhause krasse Aufgaben auf die warten: Wasser holen, auf dem Feld oder auf der Arbeit mit anpacken und so weiter.“
Daniela kann die Lehrer aber auch verstehen: „ Die Lehrer wissen nicht, wie es anders geht und sind ganz einfach mit der Situation überfordert. Bei den Klassengrößen!“ Für Daniela sei es noch schwieriger, da sie erstens kein Kannada spricht, zweitens nicht schlägt und drittens ein Mädchen ist, weshalb sie von manchen älteren Jungs nicht richtig akzeptiert wird.
Die Schule hat das Recht die Kinder zu disziplinieren und viele Eltern geben die Kinder zur Beschäftigung zur Schule. Oft müssen selbst beide Elternteile arbeiten und könnten sich gar nicht um die Kinder kümmern. Vielen scheint es egal zu sein, wie die Kinder in der Schule abschneiden. Nur manche Elternteile kommen manchmal in die Schule und beschweren sich, bei den Lehrern. Viel Unterstützung von zuhause bekommen sie also nicht. Wie auch, wenn die Eltern teilweise selbst noch nicht mal richtig lesen und schreiben können.
„Es ist aber auch erschreckend wie schlecht die Englischlehrer Englisch können“, meint Daniela: „Die machen immer nur das Gleiche, machen nur das, was im Buch steht und bereiten keinen Unterricht vor. Die sitzen da und gucken den Schülern beim Abschreiben zu. Pädagogisch gesehen ist das nach unseren Maßstäben total schlecht! Die sind mehr Aufpasser oder Betreuer, als Lehrer.“


Daniela macht ihren Unterricht trotzdem so, wie sie es aus Deutschland kennt. „Mein Schulleiter hat mir und meiner Freiwilligenkollegin erlaubt, die Schüler in Kleingruppen zu unterteilen. Wir versuchen ein bisschen Sonderunterricht für die Schwächeren zu geben,“ erzählt sie: „Ansonsten versuchen wir Abwechslung in den Schulalltag zu bringen: basteln, singen, tanzen oder mal Theater spielen. Die Kinder sind da voll scharf drauf und die sind schon für kleine Dinge voll dankbar. Neulich haben wir aus Papier Tigermasken gebastelt und die sind dann den ganzen Tag damit rumgetollt.“ Ansonsten versucht sie Allgemeinwissen zu vermitteln, wie zum Beispiel wissen über andere Länder oder sie zeigt ihnen mal die Weltkarte. „Die sollen ja auch wissen, dass es nicht nur braune sondern auch weiße Menschen gibt und dass Japan geografisch nicht neben Deutschland liegt,“ sagt sie: „Wissenshungrig sind die schon!“



Ob das ganze überhaupt etwas bringt, wenn jedes Jahr ein anderer Freiwilliger kommt und sein eigenes Programm aufzieht? „Langristig gesehen weiß ich nicht. Das Leben von denen ändern tut es kaum. Aber all die Kinder haben ein hartes Los gezogen. Diesen Kindern punktuell mal eine Freude zu machen, wo sie sonst nicht viel zu lachen haben, ist es schon wert. Oder einfach auch den schlechteren, die sonst nie gelobt werden, mal ein positives Feedback geben,“ meint Daniela. Es sind aber auch Folgen der Freiwilligenarbeit in Danielas Schule zu sehen: Die Schüler der vierten Klasse, die durchgehend Freiwillige hatten, können von der ganzen Schule am besten Englisch sprechen, sogar besser als die Siebtklässler,“ erzählt Daniela: „Dabei kommt es natürlich auch immer auf das Engagement der Freiwilligen an, wie sehr die sich einbringen. Unterrichten in Großgruppen wie 30 bis 40 Leute bringt meiner Meinung nach gar nichts.“


Viele Unterschiede, kaum Gemeinsamkeiten. „Ich hätte nie gedacht, dass eine Schule so laufen kann“, sagt Daniela: „Aber nichtsdestotrotz sind manche Schüler richtig gut. Die Guten kriegen das alleine hin, die fleißigen. Aber sonst, die anderen, die Rabauken, um die sich nicht gekümmert wird bleiben hängen und werden mitgeschleift. Die stehen am Ende mit einem Grundschulabschluss da, ohne teilweise richtig rechnen oder schreiben zu können.“ Das ist ein Resultat aus einem Bildungssystem, das in Privatschulen und staatliche Schulen unterteilt ist: Wer das Geld hat, kann sich den Zugang zu Bildung und somit Chancen auf einen guten zukünftigen Job erkaufen. Der Rest ist in einem Teufelskreis aus Armut und Unwissenheit gefangen, aus dem es hart ist zu entkommen. Man muss dabei natürlich bedenken, dass der ganze Unterrichtsstil in Indien ein anderer ist, als in Deutschland und dass es auch bei uns bei uns einmal so harten Frontalunterricht gegeben hat. „Natürlich kann ich nur von meinen Erfahrungen in meiner Schule sprechen und von dem, was ich von anderen Freiwilligenlehrern gehört habe,“ gibt Daniela zu: „Aber warum sollte es im Rest von Indien anders sein?“

Freitag, 4. Mai 2012

Spendenaufruf


Spendenaufruf

Sehr geehrte Damen und Herren,

es ist nicht das erste Mal, dass ich aus Indien für Spenden aufrufe. Diesmal geht es um das Projekt in dem ich selbst über zwei Monate gearbeitet habe - die Spandana Schule aus der Harke-Reportage.
Janardhan und Umesh die beiden Leiter der Schule planen ihre Einrichtung auszubauen. Sie wollen ein eigenes Haus dafür bauen, das Platz für 100 Personen bietet. Im Zuge dessen wurde der Chaithanya Charitable Trust gegründet. Zusammen mit einem Architekten und einem Ingenieur haben sie einen Bauplan ausgearbeitet. Insgesamt wird das neue Gebäude 144.000 Euro kosten. Angefangen zu bauen wird, sobald das Geld da ist.

Wenn Sie eine gute Sache unterstützen wollen sind sie bei der Spandana Schule an der richtigen Adresse. Mit Ihrem Beitrag helfen sie Hilfsbedürftigen und machen ein ertragbares Leben für indische Behinderte möglich. Sollte es auch nur eine kleine Gabe sein, jede Summe hilft!

Wer für die Hälfte der Summe aufkommt 71.320€, nach dem wird das Gebäude benannt.
Wer mindestens 4.280 € spendet, nach dem wird ein Raum benannt.
Wer mindestens 713€ spendet bekommt einen Platz auf der Spendertafel aus Granit, die am Haus angebracht wird.

Wenn Sie Geld spenden wollen, über weisen Sie dies bitte auf mein Konto. Ich werde mich persönlich darum kümmern, dass das Geld den Hilfsbedürftigen zu Gute kommt. Jeder Sponsor bekommt als kleines Dankeschön eine Grußkarte, die von den Kindern im Unterricht hergestellt wurde.
Falls Sie persönlich mit mir in Kontakt treten möchten können Sie mich unter der Emailadresse mortenindien@gmail.com erreichen.

Meine Kontodaten sind:

Morten Luchtmann
Kontonummer: 1013658065
Bankleitzahl: 120 300 00
Deutsche Kreditbank AG

Bitte geben Sie als Verwendungszweck „Spandana Schule“ an.

SPANDANA

Amara, Ragu, ich, Krishnamuti, Simon und Nikil

Mit ein paar Studenten aus Manipal, die ein Essen gesponsert haben
die große Halle wird geputzt


Simon übernimmt das Kommando

Nikil


Medallien, die die "Kinder" bei Behinderten Wettkämpfen gewonnen haben

Morgengebet vor'm Yoga


Yogastunde




Danach 5 Minuten entspannen


Pandi, Amand und Barata im Unterricht

rasieren

Simple und gute Essensutensilien

Wäsche waschen

Vishal rasiert die meisten anderen Kinder, hier gerade Vijay
Ravanathra

Shiva

Nikil und Vijay

Wahre Liebe kommt aus dem Herzen!

Simon

Simon sortiert die Uniformen

Sameer
Ragu

Vishal

Ravi

Im vollen Bus zu einer Veranstaltung
Sponsoren spenden einen Sack Reis

Chefkoch Shetty

Hofgang

Mittagspause
Shan und Asif

Pai

Monku

Nachmittagsunterricht
Ravi schreibt fleißig Wörter

Amara mit Yogamatte

Heimleiter Janardhan

Sameer, Nikil, Ragu und Barata
Amara

Vijay

Barata

Ravi und Pandi
Anand

Shan

Vishvayas, Krishna und Vishal

Pandi