die Demonstranten sammeln sich. |
Am 24. September hatten Caro, Lisa und Katja eine größere Aktion in Kundapur organisiert. Und zum ersten Mal habe ich mich gefragt, ob das, was wir hier machen nicht nur uns Freiwilligen selbst hilft.
Die drei sind im Internet auf die Organisation „360“ gestoßen. Das ist eine weltweite Organisation, die sich gegen den Klimawandel einsetzt. Am 24. September stand der „Moving Planet“ Aktionstag an. An diesem Tag organisieren Mitglieder überall auf der Welt Demonstrationen und Aktionen, die sich gegen Umweltverschmutzung und für weniger CO²-ausstoß einsetzen. Die Mädels sind Mitglieder geworden und haben für den 24. September eine solche Aktion für Kundapur organisiert. Sie haben von FSL grünes Licht bekommen, haben T-Shirts gekauft und extra bedrucken lassen, haben sämtliche Plakate gemalt und bedrucken lassen, haben Rasseln aus alten Plastikflaschen und Reis gebaut und haben sogar zwei Motorradpolizisten als Eskorte bekommen. Es nahmen FSL Mitarbeiter, eine College Klasse, Narvin mit seiner Gitarre(siehe Leben auf einer einsamen Insel), alle möglichen anderen Freiwilligen aus der Nähe und sogar ein Mann aus Goa, der eine Recycling-Firma führt, teil. Man muss schon sagen, dass die drei sich echt Mühe gegeben haben und dass sie aus dem Nichts heraus eine mittelgroße Demonstration gegen den Klimawandel in die Bahn geleitet haben. Meinen Respekt dafür!
Katja erklärt den Climate Action Day |
Auch ich war bei der Aktion mit dabei. Doch obwohl das, wofür wir demonstrierten eine gute Sache war, fühlte ich mich dabei nicht wohl.. Es kam mir von Anfang an komisch vor: Ein paar Jungspunde aus Europa, die meisten gerade Mal an die 20 Jahre alt, kommen nach Indien, gehen nach eineinhalb Monaten auf die Straße und demonstrieren gegen Plastik.
Gewagt - Caro stoppt den Bus! |
Das was mich dabei am meisten stört ist, dass die meisten Inder den Sinn der Demonstration überhaupt nicht verstanden haben. Die Zahl 360, die auf vielen Plakaten abgebildet war, ist das Höchstmaß an CO² Partikeln in der Atmosphäre, bei dem der Klimawandel noch gestoppt werden könne. Die meisten Menschen in Kundapur sprechen kein oder nur ein bisschen Englisch und ansonsten Kannada. Es ist schon eine Aufgabe ihnen den Klimawandel mithilfe eines Übersetzers zu erklären und ihnen die Ausmaße davon sichtbar zu machen. Wie will man dann ähnliches schaffen wenn man rasselnd und brüllend durch die Straßen läuft?
Die meisten Menschen haben unsere Prozedur, die unübersehbar und unüberhörbar war, betrachtet und die meisten haben auch wahrgenommen, dass wir gegen Plastik sind. Dann hörte es aber auch schon auf. Warum wir gegen Plastik sind, haben nur die allerwenigsten verstanden und warum deshalb teilweise der Verkehr eingeschränkt werden musste, verstanden noch weniger. Einige haben sich zumindest das in Kannada bedruckte Plakat durchgelesen.
Narvin war mit seiner Gitarre am Start! |
Aufklärungsarbeit in Sachen Klimawandel finde ich sehr gut und angesichts der Lage, in der sich unsere Welt befindet auch dringend notwendig. Aber ob diese Demonstration da viel geholfen hat? Das Volk demonstriert, wenn es gehört werden will. Ich glaube aber nicht, dass 20 Ausländer, deren Mitarbeiter und Freunde, sowie eine Schulklasse als Allgemeinheit gelten. Die Schüler wussten teilweise gar nicht, warum sie überhaupt mitgehen sollten. Ihr Lehrer hatte es ihnen gesagt.
So marschierten wir |
Erst bei der Hälfte der Strecke fiel es jemandem ein, „beda beda plastic“ anstatt „no plastic“ zu rufen („Beda beda plastic“ ist Kannada). Manju, ein indischer FSL Mitarbeiter, musste eine Freiwillige darüber aufklären, dass man die indische Flagge nicht nach unten halten darf. Das wirke nämlich beleidigend der indischen Nationalität gegenüber. Sowas sind die üblichen Kommunikationsprobleme von fremden Menschen in anderen Ländern. Sowas kommt halt vor, kommt bei einer Demonstration aber nicht unbedingt gut an.
Flash Mob: Wer den Müll in der Mitte aufhebt, wird beklatscht! |
Mir kam es so vor, als meinten diese Fremden, die gerade mal sieben Wochen in Indien waren, sie müssten den Indern diktieren, wie es richtig geht und was richtig ist und was falsch. Und ich war mit meinem weißen 360-T-Shirt nun mal auch gerade einer von diesen Fremden.
350! |
...ein bisschen Farbe ins Spiel bringen. |
Das Foto hat es sogar ins offizielle Climate Action Day Video geschafft. |
Am Ende machten wir noch ein Foto für die Organisation, dass im Internet und sogar einige Stunden später in New York auf einer großen Leinwand gezeigt werden sollte. Die drei Organisatorinnen waren natürlich überglücklich, dass all ihre Bemühungen erfolgreich waren und alles so weit geklappt hatte. Sie konnten es kaum abwarten ihr Bild in der online Dia-Show auf der 360-Website, neben den anderen Bildern aus aller Welt zu sehen. Die anderen Teilnehmer gingen auseinander und die Schulklasse machte sich davon.
Manjullah, eine FSL Mitarbeiterin erzählte Tage später davon, wie viele Menschen sie auf die Demonstration angesprochen hätten, in einer Kannada sprachigen Zeitung erschien ein Foto mit einem kurzen Text und auch ein Ladenbesitzer sprach mich einige Tage danach auf die Demonstration an. Sie hatte also schon Wirkung gehabt. Allerdings frage ich mich für wen sie die meiste Wirkung gehabt hat. Für den normalen kleinen Bürger in Kundapur, für unsere Mutter Erde oder für die Freiwilligen, die gedacht haben etwas sehr wichtiges erreicht zu haben.
Was zurück bleibt |
PS: Vielleicht hört sich das alles hier sehr missgönnerisch an, dann bin ich vielleicht einfach nur ein bisschen neidisch auf die drei. So wie ich die Demonstration wahrgenommen habe, ist das aber meine Meinung. In Deutschland haben wir uns schon auf unseren Vorbereitungsseminaren von AFS kritisch mit Freiwilligenarbeit auseinandergesetzt. Langsam tue ich das hier auch.
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